Der Dialogprozess
zu Standards der Betroffenenbeteiligung
Der Dialogprozess zu Standards der Betroffenenbeteiligung im Kontext institutioneller Aufarbeitung (kurz: Dialogprozess) ist ein breit angelegtes und gemeinsames Projekt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), des Betroffenenrats bei der UBSKM und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Es wird durch Dissens – Institut für Bildung und Forschung e. V. inhaltlich und organisatorisch unterstützt.
Der Dialogprozess startete im Herbst 2023 und hat eine Laufzeit von knapp zwei Jahren. In seinem Zentrum steht die Frage „Wie kann die Beteiligung von Betroffenen in institutionellen Aufarbeitungsprozessen gelingen und sichergestellt werden?“. Doch wie kamen die UBSKM, der Betroffenenrat und die Unabhängige Aufarbeitungskommission überhaupt dazu, diesen Prozess zu initiieren?
Warum ein Dialogprozess?
Immer mehr Institutionen, die zu Tatorten von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen wurden, beginnen damit, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und Aufarbeitungsprozesse anzustoßen. Eine gelingende Aufarbeitung benötigt zwingend die Einbindung der Expertise von Betroffenen. Bisher gibt es dafür allerdings keine Standards und somit keinerlei Verbindlichkeit und Orientierung – weder für Betroffene, noch für aufarbeitende Institutionen.
Rund 150 Betroffene, Vertreter:innen von Institutionen sowie unabhängige Expert:innen, die bereits Aufarbeitungsprozesse begleitet haben, diskutieren und erarbeiten in einem gleichberechtigten Dialog bis Mitte 2025 gemeinsam Standards und notwendige Rahmenbedingungen für die Beteiligung von Betroffenen an institutionellen Aufarbeitungsprozessen. Auf der Grundlage dieses von Anfang an sehr breit und partizipativ angelegten Austauschs werden konkrete Ansätze entwickelt, die Institutionen künftig als Richtschnur und Verpflichtung dienen, wenn sie eine Aufarbeitung initiieren.
Dabei ist das Format des Dialogs entscheidend und wegweisend: Wir sind alle Lernende. So lautet die Maxime des Dialogprozesses. Alle Beteiligten diskutieren, erörtern, bringen ein, fragen nach, hören zu – sowohl in insgesamt vier Plenarsitzungen in Berlin als auch in zwölf digitalen Arbeitsgruppen. Es erfordert viel Zeit, eine sensible Kommunikation und vor allem die Gewähr, dass der Dialogprozess ein sicherer Raum ist, in dem vertraulich und respektvoll miteinander umgegangen wird.
Beauftragte Kerstin Claus:
„Die Einbeziehung von Betroffenenexpertise ist mehr als nur ein Gewinn für jeden Aufarbeitungsprozess. Sie ist Voraussetzung dafür, dass Aufarbeitung überhaupt gelingen kann. Es muss aber sichergestellt werden, dass Art und Qualität einer solchen Beteiligung nicht einseitig durch die Institutionen diktiert oder Betroffene in diesen Prozessen instrumentalisiert und schlimmstenfalls neuen Traumatisierungen ausgesetzt werden. Betroffene müssen von Anfang an wissen, was für ein Mandat sie haben, welche Aufgaben mit ihrer Mitwirkung verbunden sind und auf welche Unterstützung sie zurückgreifen können. Um sowohl ihnen als auch den aufarbeitenden Stellen eine Orientierung zu geben, wollen wir gemeinsam Kriterien und Standards für die Betroffenenpartizipation entwickeln.“
Transparenz, verlässliche Kriterien und klare Regeln
Der Dialogprozess soll sicherstellen, dass die Perspektiven von Betroffenen von Anfang an gleichberechtigt eingebracht und Entscheidungen zum weiteren Vorgehen auch gemeinsam getroffen werden. Dies erfordert Transparenz und Verbindlichkeit. Jede:r Beteiligte bringt erworbene Erkenntnisse und vielfältige Expertise mit und trägt so wesentlich dazu bei, den Dialogprozess konstruktiv zu gestalten.
Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs:
„Immer wieder erfahren wir, dass Betroffene sich manipuliert fühlen oder dass Institutionen ratlos sind, wie sie Aufarbeitung gemeinsam mit Betroffenen gestalten können. Wir freuen uns, dass der Dialogprozess Betroffenen ermöglicht, sich vielfältig einzubringen – wie es ihren Interessen entspricht und wie es ihre Lebenssituation erlaubt.“
Ein gelingender Dialog setzt eine ehrliche Auseinandersetzung – sowohl mit Schwierigkeiten und Hürden sowie mit Fehlern, die in der Beteiligung von Betroffenen gemacht wurden, als auch mit Beispielen einer erfolgreichen Umsetzung von Betroffenenpartizipation – voraus. Und dabei geht es auch darum, komplexe Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu erörtern, wie etwa: Was lernen wir aus bisherigen Prozessen der Betroffenenbeteiligung? Was sind strukturelle Anforderungen an Institutionen? Wie stellen wir sicher, dass Betroffene stets die Deutungshoheit über ihre Geschichte haben? Genauso geht es aber auch um konkrete Fragen: Wie gelingt ein Auswahlverfahren von Betroffenen für Aufarbeitungsprozesse? Was ist eine angemessene finanzielle Aufwandsentschädigung?
Der Betroffenenrat bei der UBSKM:
„Wir haben uns nicht ausgesucht, betroffen zu sein. Dieser Dialogprozess ist für alle Beteiligten und insbesondere für Betroffene eine Herausforderung. Aber diese haben wir uns bewusst gesucht, denn ein solcher Prozess ist längst überfällig. Mitglieder des Betroffenenrats und viele andere Betroffene sind auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen institutionellen Kontexten an Aufarbeitungsprozessen beteiligt. Die Erfahrungen könnten nicht vielfältiger sein und zeigen deutlich, dass wir Standards der Betroffenenbeteiligung benötigen. Ehrliche und konsequente Aufarbeitung bezieht Betroffene als Expertinnen und Experten ein und benutzt uns nicht als Alibi.“
Die Ergebnisse des Dialogprozesses werden Ende Juni 2025 vorgestellt und veröffentlicht. Auf dieser Website kann der Prozess in seinen einzelnen Schritten und mit den jeweils erzielten Ergebnissen verfolgt werden.
1. Plenum | 04.11.2023
Die Ausgangslage für alle Arbeitsgruppen im 1. Zyklus bildeten die Ergebnisse aus der gemeinsamen Arbeit während der Auftakt-Plenarsitzung am 04.11.2023 in Berlin.
Zyklus 1
„Ein Grundverständnis schaffen“
Im 1. Zyklus ging es um Fragestellungen auf der Metaebene: Bevor Standards entwickelt werden können, sollen ein gemeinsames Verständnis zentraler Begriffe und Perspektiven und ein Diskurs darüber stattfinden.
12/2023–03/2024
AG 1
Was verstehen wir unter Betroffenenbeteiligung in Aufarbeitungsprozessen?
Im Mittelpunkt standen zentrale Fragen zu verbindlichen Ansprüchen von Betroffenen in Aufarbeitungen, zur Rolle unabhängiger Strukturen und zur Machtbalance zwischen Institutionen und Betroffenen. Wie gelingt es, Betroffene aktiv und selbstbestimmt in Aufarbeitung einzubinden und zu schützen?
Die Synopse der AG 1 sowie das Gesamtprotokoll finden Sie hier.
12/2023–03/2024
AG 2
Was lernen wir aus bisherigen Erfahrungen mit Betroffenenbeteiligung in Aufarbeitungsprozessen?
Es wurden zentral die Startbedingungen, die Einbindung von kritischen Stimmen und finanzielle Unterstützungsstrukturen für eine gelingende Beteiligung von Betroffenen diskutiert. Es ging vor allem um die Herausforderungen im Datenschutz, Machtungleichgewichte zwischen Institutionen und Betroffenen sowie um die Notwendigkeit unabhängiger Beratungs- und Vernetzungsstellen.
Die Synopse der AG 2 sowie das Gesamtprotokoll finden Sie hier.
12/2023–03/2024
AG 3
Was sind strukturelle Anforderungen an Institutionen für eine gelingende Betroffenenbeteiligung in Aufarbeitungsprozessen?
Die Diskussion konzentrierte sich auf die Anforderungen in den verschiedenen Phasen eines Aufarbeitungsprozesses. Thema waren u. a. die Notwendigkeit gemeinsamer Vereinbarungen und transparenter Haltungen sowie rechtlicher Verbindlichkeit für Betroffene.
Die Synopse der AG 3 sowie das Gesamtprotokoll finden Sie hier.
12/2023–03/2024
AG 4
Regeln des guten Miteinanders und der Kommunikation auf Augenhöhe in Aufarbeitungsprozessen
Die AG befasste sich mit Rahmen-bedingungen für eine traumasensible und gleichberechtigte Beteiligung von Betroffenen. Dabei sind eine klare Haltung, transparente Kommunikation und ausreichende Ressourcen zentral, ebenso wie die Reflexion über Vertrauen, Verantwortung und Machtverhältnisse.
Die Synopse der AG 4 sowie das Gesamtprotokoll finden Sie hier.
2. Plenum | 30.04.2024
Die Ausgangslage für alle Arbeitsgruppen im 2. Zyklus bildeten die strukturierten Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen 1 bis 4 im 1. Zyklus, aus denen neue Themenschwerpunkte entstanden sind.
Zyklus 2
„Es wird konkret“
Im 2. Zyklus ging es um konkrete Fragestellungen. Dabei wurden die vier Arbeitsgruppen neu definiert, um sich den zu entwickelnden Standards zu nähern.
05/2024–09/2024
AG 1
Konkrete Voraussetzungen für einen gemeinsamen Aufarbeitungsprozess
Informationen folgen in Kürze.
05/2024–09/2024
AG 2
Was Betroffene benötigen, um sich an einem Prozess zu beteiligen
Informationen folgen in Kürze.
05/2024–09/2024
AG 3
Organisatorische und institutionelle Rahmenbedingungen für einen Aufarbeitungsprozess
Informationen folgen in Kürze.
05/2024–09/2024
AG 4
Übergeordnete Themen und Fragen im Rahmen eines gemeinsamen Aufarbeitungsprozesses
Informationen folgen in Kürze.
3. Plenum | 15.11.2024
Im Rahmen dieser Plenarsitzung befasst sich der Dialogprozess mit den Themen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte von Betroffenen. Die bisherigen Ergebnisse aus den beiden ersten Zyklen bilden die Grundlage für die Gliederung der Standards.
Zyklus 3
„Textschmiede“
Im 3. Zyklus geht es darum, die Standards der Betroffenenbeteiligung in institutionellen Aufarbeitungsprozessen in eine gemeinsame Textform zu bringen.
01/2025–05/2025
AG 1
Informationen folgen in Kürze.
01/2025–05/2025
AG 2
Informationen folgen in Kürze.
01/2025–05/2025
AG 3
Informationen folgen in Kürze.
01/2025–05/2025
AG 4
Informationen folgen in Kürze.